In der Tiermedizin sind in den letzten Jahren viele schwere Erkrankungsbilder therapierbar geworden. Zu verdanken ist dies unter anderem der Entwicklung der Intensivmedizin für das Pferd. Wie in der Humanmedizin können auch beim Pferd Komplikationen auftreten, dazu gehört die Entzündung punktierter Halsvenen.
Der venöse Zugang
Intensivmedizinische Bemühungen werden notwendig, wenn ein ernster oder sogar Lebensbedrohlicher Zustand vorliegt. Dies sind zum Beispiel schwere Koliken oder nach einer Kolikoperation, Colitis (lebensbedrohliche Durchfallerkrankung) oder Hyperlipidämie (Stoffwechselstörung). Ohne Behandlung würde das Pferd diese Erkrankung nicht überleben. Um den Kreislauf stabil zu halten, den Körper mit Flüssigkeit, Elektrolyten und Nährstoffen zu versorgen oder bestimmte Medikamente zu verabreichen ist bei diesen ernsthaft erkrankten Pferden häufig eine Infusionstherapie notwendig. Auch eine Vollnarkose ist ohne einen venösen Zugang nicht durchzuführen. Zu operierende Patienten erhalten somit ebenfalls einen Venenkatheter. Der Venenverweilkatheter, eine so genannte Braunüle, wird meistens in die rechte oder linke Halsvene gelegt und dort fixiert. Dies geschieht nach Rasur der Punktionsstelle und nach gründlicher Desinfektion.
Venenentzündung
Die Braunüle wurde unter sterilen Bedingungen in die Vene implantiert, es werden nur sterile Infusionslösungen und Medikamente verwendet. Warum kommt es trotzdem zur Entzündung? Das Risiko einer Venenentzündung liegt in der Grunderkrankung. Erhalten ansonsten gesunde Pferde eine Infusion, zum Beispiel zur Therapie orthopädischer Erkrankungen, ist das Risiko einer Venenentzündung gering. Schwer kranke, infusionspflichtige Patienten haben ein sehr hohes Erkrankungsrisiko. Im Blut zirkulierende Toxine (Giftstoffe) siedeln sich an der Punktionsstelle an und führen zum Verschluss der Vene durch einen Thrombus und einer Venenentzündung. Diese Toxine können leider nicht behandelt oder neutralisiert werden. Besonders Patienten mit Durchfallerkrankungen oder Koliken weisen diese zirkulierenden Toxine auf. Die entstehende Venenentzündung kann sehr schmerzhaft sein, eine Schwellung des Halsbereiches hervorrufen und zu Fieber führen. Durch die Thrombose der Halsvene kann der Blutfluss vom Kopf zum Herzen durch dieses Gefäß nicht mehr stattfinden. Wird der Thrombus sehr lang, kann er bis in das Herz reichen, in diesem Fall ist der Thrombus lebensgefährlich. Die akuten Symptome und das „wachsen“ des Thrombus werden mit Entzündungshemmern, Blutverdünnern und Antibiotika behandelt. Bildet sich ein Abszess, muss dieser eröffnet werden. Durch die Behandlung klingen Entzündung und Schwellung ab und der Schmerz lässt nach. Leider bleibt häufig die Thrombose der Vene zurück. Der Körper hilft sich, in dem er kleine Blutgefäße zu „Parallelstraßen“ (Kollateralgefäße) ausbaut. So fließt das Blut über diese neuen Venen vom Kopf in Richtung Herz ab. Die thrombosierte Vene ist in den meisten Fällen reaktionslos und beeinträchtigt das Pferd nicht. Allerdings steht dieses Gefäß nicht mehr für spätere Injektionen zur Verfügung. Beim Menschen fürchtet man immer ein ablösen und wegschwimmen von Thrombusteilchen, die dann zu einem Gefäßverschlusses (Embolie) führen. Diese ist beim Pferd selten.
Auch durch eine nach den Regeln der Kunst durchgeführte intravenöse Injektion (Spritze) können Entzündungen der Halsvene und Thrombosen entstehen. Eine intravenöse Punktion, egal ob mit einer Kanüle oder einer Braunüle, ist immer mit einer „Verwundung“ der Vene verbunden. Darum geschehen diese Eingriffe nur nach sorgfältiger Abwägung von Risiko und Nutzen. Bei Intensivpatienten steht das Retten des Lebens im Vordergrund, für das sich das Klinikteam einsetzt. Entstehende Komplikationen sind bei den sowieso schon schwer kranken Pferden für alle Beteiligten sehr erschütternd. Ihr Klinikteam wird sich aber für eine Früherkennung der Symptome und eine schnellstmögliche Besserung einsetzen!
Dr. Claudia Stroth - Pferdeklinik Tappendorf | www.pferdeklinik-tappendorf.de
Veröffentlicht im horseWOman Magazin im Jahr 2009