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Anreiten und Ausbilden von jungen Pferden Teil II Sich Zeit nehmen – dem jungen Pferd Zeit lassen

In der letzten Ausgabe haben wir die feinen Grundeinstellungen im Umgang mit den ganz jungen Pferden betrachtet, sozusagen die Basis für alles Weitere.

 

Meiner Meinung und Erfahrung nach liegt der von mit Pferden umgehenden Menschen meistgemachte Fehler und damit das größte Problem darin, dass dem jungen Pferd nicht die notwendige Zeit gegeben wird, sich im Guten an den Anritt und die Ausbildung zu gewöhnen.

Meistens geht es ja so vor sich: Es wird ein dreijähriges Pferd gekauft, von dem der Besitzer dann oftmals möchte, dass es dann auch schon in die ersten Prüfungen geht. Die Pferde, die nicht die Zeit zum Reifen hatten, sind damit aber meist überfordert. Die dann von dem jungen Pferd auf Turnieren gesammelten negativen Erfahrungen bedeuten einen Knacks in der Entwicklung des Pferdes.

Ein Pferd dreijährig anzureiten, es dann aber noch einmal eine Zeit in Ruhe zu lassen und erst vierjährig in die Ausbildung zu nehmen, zahlt sich immer aus. Ich habe immer wieder erlebt, dass die Pferde die fünfjährig in die Ausbildung genommen wurden und in den jüngeren Jahren entsprechend an die Ausbildung herangeführt wurden, viel schneller viel weiter kommen, als diejenigen, die bereits dreijährig zu schnell in die Pflicht genommen wurden.

Wenn die Grundlage stimmt und das Pferd gelernt hat,

• im Takt,

• in der Losgelassenheit

• in der Anlehnung zu bleiben

• den Schwung zu finden

• sich gerade zu richten

• und dabei die Versammlung zu finden

dann ist das Reiten von Lektionen nachher gar kein Problem. Dann kann ich auch eine saubere Runde Volte auf gebogener Linie reiten, Paraden oder Seitengänge durchführen. All diese Dinge, die wichtig sind für die Entwicklung des Pferdes.

Ich habe dieses in meiner Ausbildung auch nicht richtig gelernt, obwohl ich in renommierten Ställen war. Hier steht oft der Erfolg im Vordergrund, aber nicht der Weg dahin.

Dieser Weg wurde bereits im letzten Artikel in Auszügen beschrieben: das Anlegen der Trense, das Gewöhnen an das Gewicht des Sattels, das Hochheben der Beine und Dergleichen. Diese Gewöhnungsphase zahlt sich letztlich immer aus. Und bildet das beste Fundament für die Ausbildung des jungen Pferdes. Und da haben wir die bereits oben genannten sechs Abschnitte der Ausbildungsskala, wovon meiner Meinung nach die ersten drei zusammen gehören und immer wieder miteinander verbunden werden müssen.  

Hier wird immer wieder ein bedeutender Fehler gemacht: viele Reiter wollen ihre Pferde ständig vorwärts gehen sehen, weil wir das ja auch so lernen. Das bringt aber nach meiner Erfahrung Pferde nicht in den Takt. Ganz wenige Pferde kommen damit zurecht. Ich muss ja bedenken, dass das Pferd von Natur aus nur ein Gleichgewichtsbedürfnis für sein eigenes Gewicht hat. Kommt nun ein Reiter mit seinem Gewicht von 60, 70 oder 80 Kilo hinzu, so kommt ein ungeübtes Pferd natürlich aus dem Takt. Wenn es nun dafür bestraft wird, werden alle weiteren Schritte wesentlich schwieriger als wenn mein Pferd aus positiver Erfahrung lernt. Daher ist es überaus wichtig, in einem Tempo zu reiten, in dem Pferde ihren Takt finden, also das Gleichmaß der Bewegung, die Regelmäßigkeit des Auf- und Abfußens. Da haben wir im Trab den klaren Zweitakt in diagonaler Fußfolge, im Galopp den klaren Dreitakt und im Schritt den klaren Viertakt. Diese Taktbegriffe müssen wir stabilisieren und festigen, denn wenn wir den Begriff „Takt“ nicht geregelt haben, können wir über den nächsten Begriff nicht weiter kommen, nämlich die Losgelassenheit finden. Und erst wenn der Takt da ist und die Losgelassenheit, dieses Lösen in sämtlichen Muskelpartien, erst dann kommen wir in den nächsten Begriff: die Anlehnung. Denn nur über die Anlehnung läuft die Beziehung zwischen Reiter und Pferd, da sich nur hierüber der Reiter mit dem Pferd verständigen kann. 

Und erst wenn diese drei Begriffe vollständig erarbeitet sind, können wir an die nächsten drei Punkte der Ausbildungsskala herangehen. Aber dazu dann mehr in den nächsten Ausgaben.

Ihr Franz-Martin Stankus

 

Rufen Sie mich gerne an, wenn Sie dazu Fragen haben unter 0172 – 68 99 11 8.

 

31. Ausgabe Juni/Juli 2010