Auch wenn man sich in seinem Gegenüber irren kann: Seit jeher wussten Hengst und Stute beim Werben und natürlichen Deckakt, wen sie vor sich hatten. In der modernen Zeit wird dieses Naturschauspiel überwiegend durch das schnöde Injizieren des Frisch- oder Gefriersperma ersetzt. Vergreift sich hier der Lieferant des Spermas und liefert nicht den Samen des auserwählten Deckhengstes, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Stutenbesitzerin ein Schaden entsteht, der von dem Hengstbesitzer zu ersetzen wäre.
Eine wiederholte Falschbesamung aus dem Jahre 2002 hatte jüngst das Oberlandesgericht Hamm (OLG) zu bewerten. Die Stutenbesitzerin hatte Samen des Hengstes S bestellt. Durch eine Verwechslung wurde nicht eine mit Sperma des S gefüllte Pipette an den die Besamung durchführenden Tierarzt übergeben, sondern des Hengstes X, dessen Decktaxe wesentlich höher lag. Dies kam erst durch ein Abstammungsgutachten im Jahr 2007 heraus.
Ob der Samenlieferant fahrlässig gehandelt hat, weil die Pipette nicht ordentlich beschriftet und die Betriebsabläufe chaotisch waren, hat das Gericht in dem Urteil offen gelassen. Entscheidend war für die Richter, dass die Stutenbesitzerin dem Gericht nicht den behaupteten Schaden von rund 68.000 € plausibel nachweisen konnte. Der Schaden setzte sich angeblich aus dem entgangenen Verkaufserlös und den Aufzuchtkosten zusammen, für den die Stutenbesitzerin dem Samenlieferanten im Gegenzug die gezogenen Pferde von dem Hengst X übergeben wollte.
Insbesondere hatte die Stutenbesitzerin behauptet, ihr wäre ein Schaden entstanden, weil die von Hengst S abstammenden Fohlen zu einem höheren Kaufpreis hätten vermarktet werden können. Den Beleg blieb sie jedoch schuldig. Für das Gericht war entscheidend, dass die Decktaxe für X tatsächlich höher als die von S ist, so dass die Stutenbesitzerin Frischsperma eines höher eingeschätzten Hengstes erhalten hat. Dass es sich bei X um einen in Fachkreisen besonders werthaltig geschätzten Hengst mit Dressureigenschaften handelt, wird laut Gericht dadurch bestätigt, dass dieser Hengst zwischenzeitlich für den Kaufpreis von 1 Million Euro verkauft worden ist.
Das Argument der Stutenbesitzerin, dass es wesentlicher Bestandteil der züchterischen Entscheidung sei darüber zu bestimmen, welcher Hengst sich mit der eigenen Stute zur Erreichung der bei den Nachkommen gewünschten Eigenschaften paaren soll, überzeugte die Richter nicht. Die Vermarktung der gezogenen Nachkommen S2 und S3 lasse ein spezielles Zuchtziel gerade nicht erkennen.
Ohne den Nachweis eines konkreten Vermögensschadens allein mit Blick auf die Abstammung der Pferde S2 und S3 von X könne ein Vermögensschaden nicht bejaht werden.
Die Unterhalts- und Ausbildungskosten stellen keinen Schaden dar. Sie wären auch für ein Fohlen des Hengstes S entstanden, meinte das OLG. Die Stutenbesitzerin hätte hier belegen müssen, dass ein Fohlen des S weniger Kosten verursacht hätte.
Die Stutenbesitzerin musste somit erkennen, dass Kuckucksfohlen nicht nur ein Schaden, sondern etwas sehr Wertvolles sein können.
Rechtsanwältin Dr. Christine Conrad | www.conrad-recht.de
31. Ausgabe Juni/Juli 2010