Bisher wurden die Fohlen der Reitpferde mittels eines Schenkelbrandes gekennzeichnet. Ein heißes Eisen verursacht Verbrennungen dritten Grades, es entsteht eine Narbe auf der Haut, die die Form des jeweiligen Zuchtverbandes darstellt. Eine Nummer, die sich bei jedem hundertsten Fohlen wiederholt, befindet sich unter dem Symbol des Zuchtverbandes. Die Fohlen der Rennpferde (Traber, Galopper) werden seit über 10 Jahren mittels eines Mikrochips gekennzeichnet. Dieser Transponder wird in die Muskulatur des Halses implantiert, der Vorgang ähnelt einer intamuskulären Injektion von Medikamenten. Eine Sedation ist für diese Injektion selbstverständlich nicht notwendig.
Jedes Rennpferd hat somit seine eigene Transpondernummer und ist eindeutig aktiv gekennzeichnet. Auch bei Hunden und Katzen ist die Kennzeichnung mit einem Mikrochip seit mehreren Jahren gängig. Eine EU-Verordnung aus dem Jahre 2008 schreibt die eindeutige aktive Kennzeichnung eines jeden Equiden vor. Die EU sieht grundsätzlich eine elektronische Kennzeichnung vor, da sie die zurzeit die einzige ist, die die o.g. Forderungen erfüllt. Mittels eines Schenkelbrandes ist eine eindeutige Identifizierung nicht möglich, er zeigt lediglich die Zuordnung zu einem bestimmten Zuchtverband an.
Diese Fakten sollte jeder in Ruhe auf sich wirken lassen. Der Berufsstand der Tierärzte wird in diesem Zusammenhang sehr stark kritisiert. Geldgier ist hier in allen Fällen der Hauptvorwurf. Aber nicht nur Tierärzte implantieren Mikrochips, sondern auch Beauftragte der Zuchtverbände. Die Mär von der Sedation der Fohlen zum Setzen des Transponders hält sich weiterhin und gibt den „Mikrochip-Gegnern“ Futter. Die Mikrochips seien nicht sicher und würden in 2 % der Fälle versagen, ist ebenfalls ein häufig gehörtes Argument. Diese Zahl bedeutet jedoch, dass 98 % der Tiere eindeutig gekennzeichnet sind. Dies kann ein herkömmliches Brandzeichen nicht leisten. Bei den Rennpferden wird die Kennzeichnung mit dem Mikrochip seit vielen Jahren verwendet, sie stellt somit ein ausgereiftes System dar. Übrig bleibt also das Argument der Zuchtverbände, dem Pferd mit dem Brandzeichen einen Markenstempel aufzudrücken. Im Fernsehen sollen die Zuschauer sehen, welcher Rasse die Spitzensportler angehören. Und dafür soll unser Partner Pferd mit Brandnarben herumlaufen? Ein Emblem auf der Satteldecke scheint nicht auszureichen. An einem Tier dürfen laut Tierschutzgesetz keine mit Schmerzen verbundenen Eingriffe ohne Betäubung durchgeführt werden. Der Schenkelbrand war bisher ausgenommen mit dem Argument der Kennzeichnung. Wenn aber eine eindeutige Identifizierung der Pferde mittels Chip erfolgt, ist das Brennen laut Tierschutzgesetz nicht mehr zulässig. Die Zuchtverbände haben eine Lobby, die den Tierärzten mindestens gleicht, wenn nicht sogar stärker ist. Sie versuchen mit Unterschriftenlisten die Abschaffung des Schenkelbrandes zu verhindern. Doch ist die Pferderasse mit dem dazugehörigen Symbol von so großem Interesse?
Die Abstammung ist heutzutage das, was den Züchter interessiert. Beispielsweise kann ein oldenburgisch gebranntes Pferd eine hannoversche Abstammung aufweisen. Die Hengste sind häufig für mehrere Zuchtverbände zugelassen. Gibt es denn überhaupt noch diese strenge Rassezugehörigkeit, die die Zuchtverbände im Moment in den Vordergrund stellen? Oder haben wir längst das deutsche Reitpferd mit den Leistungsschwerpunkten Dressur, Springen oder Vielseitigkeit?
Wir sollten zum Wohle unseres Partners Pferd entscheiden und uns nicht zum Instrument einer markenorientierten Lobby machen lassen.
Dr. Claudia Stroth, Pferdeklinik Tappendorf, www.pferdeklinik-tappendorf.de
34. Ausgabe Dezember 2010/Januar 2011